Jenny Schäfer

Viele Hundefotos von Jenny

Wenn ich ein Hund wäre, dann dieser Golden Retriever.
Oder gleich ein ganzer Wolf. Eine Wölfin sondergleichen.

Früher wollte ich natürlich auch immer einen Hund haben. Ich dachte vielleicht, dass ich mich dann weniger einsam fühlen würde. Ich dachte vielleicht, dann wäre es wie bei Free Willy, Lassi, Black Beauty und Rennschwein Rudi Rüssel. Ich dachte vielleicht, dann käme das mit dem Tiere-flüstern und ich hätte einen Bezug. Grundsätzlich habe ich nichts gegen Hunde. Sie nerven mich oft, weil sie so intensiv sind. Anders intensiv als eine Katze oder ein Wellensittich. Sie werfen mich so sehr zurück auf grundsätzliche Biologie. Wenn ich einen Hund sehe, denke ich: „Bloß keine Angst zeigen. Sie riechen deinen Angstschweiß und fallen dich an.“ Nur manchmal, wenn ich einen sehr kleinen oder sehr großen Hund sehe, denke ich: „Oh, süß.“ Meistens sehe ich Hunde, die AA machen und dann riecht es stark nach frischer Hunde-AA und das Hundebesitzerchen wartet geduldig, während der Hund einen Haufen setzt, vor unserer Tür, hier und da, überall, manchmal Durchfall, dann heben sie es im Bestfall auf und verknoten ihr Tütchen und schmeißen es in den Müll. Oder über den Zaun bei unserer Nachbarin. Das hat wiederum unsere verstorbene Nachbarin beobachtet, denn sie schaute oft aus dem Fenster. Hunde sind jedoch mehr als ihre Exkremente. Sie scheinen der beste Freund des Menschen zu sein. Außer von Katzenfreunden. Es gibt natürlich auch Katzen-Hunde-Menschen. Ich lebe hier in der Innenstadt, ich kenne halt nur diese Stadthunde.  

Einmal hat mich ein Hund auf dem Campingplatz angefallen, seitdem sehe ich in jedem fremden Hund einen potentiellen Gremlin. Dann wiederum mag ich Hunde sehr, wenn sie lachend auf ein anderes Wesen zu rennen, voll Glück, projizierter Liebe und Zuversicht.  

Der Hund meines Vaters. Auch so ein Beispiel – mein Vater wollte auch nie einen Hund haben dann sollte Spiky aber ins Tierheim, weil die alte Besitzerin nicht mehr konnte und dann hatte er einen Hund, weil ins Heim sollte Spiky nicht hat seine Frau gesagt und dann hatte er einen Hund und musste jeden Tag Gassi gehen und immer hat mein Vater über Spiky geschimpt während er neben ihm saß und seine Hand leckte und ungehorsam war. Spiky mochte ich, aber ich fand ihn auch unangenehm. Die Frau meines Vaters war eins mit Spiky. Als das große Zittern begann, begann auch Spiky zu zittern, wenn er in ihrer Nähe war. Er wurde am Ende seines Lebens mit Bratwurst und Salami gefüttert. Wenn er flatulierte stank es nach der Hölle. Er starb in den Armen meines Vaters auf dem Parkplatz. Gott hab ihn selig. Als mein Vater ihn vergraben wollte, wurde es kompliziert – es stand so viel Wasser im moorigen Garten seiner Frau, dass er immer wieder Auftrieb hatte. Irgendwie konnte er ihn doch unter die Erde bringen und seitdem wurde nicht mehr gemäht.

Ein Hund ist ein bisschen Natur und ein bisschen Kultur und ein bisschen Kapital.

Als ich damals keinen Hund bekam, mit elf oder zwölf Jahren, begann ich auf meinen Spaziergängen Besitzer*innen von Hunden anzusprechen, ob ich ihren Hund fotografieren könne. Ich fotografierte Hunde von Freund*innen, in der Nachbarschaft, in Büchern, in unseren Fotoalben. In einem Snoopy Jumbo Fotoalbum klebte ich die Abzüge ein und schrieb in Schönschrift ihre Namen dazu. Wenn ich die Namen nicht mehr wusste, erfand ich noch schönere Namen. Hundefotos sind wie Cat Content (vgl. S. 7 Cat Content von Elena Korowin, Wagenbach Verlag, 2024) Bonbons für die Synapsen. Sie sind sogar eigentlich Cat Content. So wie Cat Content eine andere Art von Katzenartigkeit repräsentiert (vgl. S. 50 ebd.) entsprechen Hundefotos einer anderen Art von Cat Content. Anne Geddes – kennt ihr? Ich musste eben recherchieren, ob sie Hunde oder Babies fotografiert hat. Sie hat Babies fotografiert, aber es hätten auch Hunde sein können. Da haben wir es. (vgl. die Seite mit Anne Geddes in „Zu Besuch“, Sina Arlt, Mami Verlag, 2024)

Tiere geben Anlass zum Denken hat Levi Strauss geschrieben (vgl. S.56 Cat Content von Elena Korowin, Wagenbach Verlag, 2024)  

Ich erinnere diese Geschichte von Donna Haraway. Ich weiß nicht mehr, ob sie ihren Hund geküsst hat oder nur ein Video beschrieben hat, in dem jemand den eigenen Hund küsst. Ich finde Hundeküsse eklig und liebe Donna Haraway. Manchmal sorge ich mich, dass ich sie nicht voll umfänglich verstehen kann, weil ich kein Hundemensch bin. Ich bin eher ein Pflanzenmensch. Ich mag Tiere sehen, wenn sie herumlaufen, aber ich möchte nicht zu viel mit ihren Körpern zu tun haben, will keine Verantwortung für sie. Als Grundschulkind habe ich mit meinem Schreibtischstuhl eine große Fliege zerquetscht – aus Versehen. Da war ich noch sehr klein, aber diese Verletzlichkeit von Tieren, dieses Innere plötzlich Außen, das kann ich kaum ertragen. Fleisch esse ich trotzdem manchmal.

ATMO Hunde
Ne, nicht knutschen, nein, ne, knutsch mit Gingie. Iiiiii ich finde, du sabberst.
(klopft Hund ab)

(aus: Biokapitalismus - Hundemenschenwelten von Barbara Eisenmann, Feature, SWR2, 2018)

Wenn man einen kleinen Hund hat, also einen langhaarigen Chihuahua, hat man auch weniger Trouble mit der Kacke, oder? Also, wenn ich einen Hund hätte, dann einen Chihuahua. Ich bin auch immer so genervt von Leuten, die bellen: „Ein Chihuahua ist doch kein Hund …das is‘ eine Ratte.“ Es ist offensichtlich keine Ratte, sondern ein kleiner süßer Hund und genauso viel Wert wie euer großer, geretteter Straßenhund.

Hunde muss man dominieren. Das bringt mich auch immer so durcheinander. Wie auch Pferde. Man muss deren Chef sein, sonst sind sie unglücklich und das finde ich zu abstrakt. Meine Freundin jedoch sagt, man muss den Hund nicht dominieren. Man muss mit ihm Leben und Fühlen. Als sie ihren Hund abgeholt hat von den Tieraktivist*innen, die ihn aus seinem unangenehmen Biotop retten konnten, trug sie die Pelzjacke ihrer Oma. Sie wurde beäugt, skeptisch. Würde sie, eine Fellträgerin, ihren neuen Welpen auch gut behandeln? Dem Hund war sofort klar: Das ist meine neue Mama. Versteht ihr? Es ist manchmal komplexer.

Früher bin ich oft Gassi gegangen.

Mit einem Hund aus der Nachbarschaft, Aico. Ein Pekinese. Er starb an einer Lungenentzündung. 

Mit einem Hund einer Freundin meiner Oma, Sherry. Ein dicker Langhaardackel. Sein Frauchen starb an einer Lungenentzündung.

Von dem Geld kaufte ich Zigaretten am Automaten.

Hunde, die mir noch einfallen: Scooby Doo, Ein Hund namens Beethoven, Susi & Strolch, 101 Dalmatiner, Laika, Daisy, Snoopy, Lucy, Sherry, Foxi und sweet Benji.

- Jenny Schäfer